Sonntag, 17. Juni 2012

Die Ärzte - Eine Un-Show?

Nachdem der Kurier für die Medienlandschaft verglichen mit den Die Ärzte für die deutschsprachige Musikgeschichte ungefähr die Bedeutung der Spatzenpost hat, wundere ich mich gerade selbst, warum ich über die Konzertkritik von Brigitte Schokarth über das Die Ärzte Konzert in Graz (13.06.2012) überhaupt ein paar Worte verliere.


Fakt ist, liebe Frau Schokarth - auch wenn Sie es nicht zugeben - sie mögen die Die Ärzte und die Die Ärzte mochten Ihren Artikel im Kurier, sonst hätten sie ihn nicht im Konzert in der Wiener Stadthalle am 15.06.2012 zitiert.
Die Ärzte bei ihrer Un-Show in der Wr. Stadthalle am 15.06.2012
Allerdings ist die Bezeichnung "Unshow" für den wahrscheinlich größten Act im deutschsprachigen Raum mit der Herabwürdigung religiöser Lehren (Blasphemie!) gleichzusetzen. Zumindest ist es Majestätsbeleidung.

Die Ansagen zwischen den Liedern arten in freundschaftliche Pöbeleien oder Diskussionen zwischen den Musikern aus, sind viel zu lange, nie pointiert. Charisma und Sexappeal der "Stars"? ...ja, die Ansagen sind lange, aber das gehört dazu, das macht es aus, das hat die Die Ärzte groß gemacht. Und mit einstudierten Pointen würden die Die Ärzte nie und nimmer dort stehen, wo sie zur Zeit stehen, nämlich - unbestritten - an der Spitze. (Und die Anzahl entblößter Oberweiten, die Die Ärzte während eines Auftritts zu sehen bekommen, spricht natürlich auch absolut gegen "Charisma" und "Sexappeal"...)


Aber Frau Schokarth fand auch Sting langweilig, die Sportfreunde Stiller nur durchschnittlich talentiert und findet höchstwahrscheinlich auch das Englisch der Rolling Stones unverständlich und die Texte ordinär. Gott sei Dank ist Elvis nicht mehr am Leben und haben sich die Beatles rechtzeitig getrennt...

Brigitte Schokarth schrob (=hat geschrieben) im Kurier vom 15. Juni 2012:

Die Ärzte: Ü30-Party mit absurden Texten

Kritik: Die Ärzte haben in Graz ihre Österreich-Tour gestartet, die sie am Freitag und Samstag in die Wiener Stadthalle bringt. 
Vierzehn ist ein schönes Alter. Man hat noch wenig Ahnung von der Welt und ihren Problemen, darf ungestraft kindisch und verantwortungsfrei sein, kann selbstbewusst und renitent in die Erwachsenenwelt stürmen.
Auch wenn Die Ärzte jetzt schon rund um die 50 sind, auf der Bühne sind sie immer noch 14. Als das Trio Mittwochabend in der ausverkauften Grazer Stadthalle ihre heurige Österreich-Tournee startete, war die geballte Ladung an absurden Texten und aufsässig hackenden Rhythmen wie eine Geburtstagsparty von pubertierenden Teenagern – obwohl das Gros des Publikums zur Ü-30-Fraktion zählte, nicht wenige zur Ü-40. Aber ein paar ganz Junge waren auch da, 20- bis 25-Jährige, zum Ausgleich.
Klassiker
Und alle hopsten und grölten wie eine drei Generationen-Familie drei Stunden lang zu den schrägschroffen Liebesliedern mit herzlich uncharmanten Ehrlichkeiten. Zu der zwischendurch doch aufblitzenden Weltverantwortlichkeit ("Deine Schuld") und absurden Abhandlungen über den "Gott im Regal". Zu Klassikern wie "Schrei nach Liebe" und "Zu spät". Und zu den größenwahnsinnigen Hymnen auf die "beste Band der Welt". All das – und das sagen die Ärzte selbst – hat einen "Coolness-Faktor wie der Garten-Traktor".
Nichts an einem Konzert des Trios folgt den klassischen Regeln. Es gibt keinerlei dramaturgischen Aufbau. Ein den Bühnenhintergund umspannender Videoschirm akzentuiert lediglich einige Songs mit Lichtornamenten. Die Ansagen zwischen den Liedern arten in freundschaftliche Pöbeleien oder Diskussionen zwischen den Musikern aus, sind viel zu lange, nie pointiert. Charisma und Sexappeal der "Stars"? Fehlanzeige.
Trotzdem bekommen die drei auch in Graz ein paar BHs auf die Bühne geworfen. Trotzdem gibt es nie einen Stimmungsabfall. 
Denn die Un-Show der Ärzte hat sich in 30 Jahren Bandkarriere als eigenständiges Ritual etabliert. Und das funktioniert nach wie vor so prächtig, weil die Musiker sowohl mit Leidenschaft als auch mit Selbstironie wie 14-Jährige agieren. Weil sich Farin Urlaub – heimlich ein treuer Spiegel-Leser mit jeder Menge Verantwortungsbewusstsein – nie als deutscher Bono aus dem Fenster gelehnt hat. Weil das Ritual nichts erreichen will und muss, außer, dass alle eine Riesengaudi haben. 
Und das hatten sie in Graz. Von den Fans der ersten Stunde bis zu Ärzte-Frischlingen wie der Neunjährigen, die auf den Schultern des Papa jubelte und Bela zum Schluss den Drei-Generationen-Aspekt seiner Band klar machte: „Ihr Vater könnte mein Sohn sein“, stellte er fest – genauso erschrocken wie zufrieden.



 



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